Automatisierte Dokumentenzusammenfassung on demand: IHE und HL7 machen es möglich

By 30/05/2016Aktuelles

Automatisierte Dokumentenzusammenfassung on demand: IHE und HL7 machen es möglich

 

Eine Dokumentenzusammenfassung ist ein Dokument, das es Ärzten erlauben soll, schnell einen Überblick über die medizinische Vergangenheit eines Patienten zu erhalten. Dies ist vor allem im Notfall oder beim Erstkontakt unverzichtbar. Wie das funktionieren kann, erfahren Sie hier.  

 

Die automatisierte Durchsuchung und Zusammenfassung von medizinischen Dokumenten wird aufgrund der wachsenden Datenmengen im medizinischen Umfeld und der hohen Auslastung von medizinischem Personal immer wichtiger. Durch Bestrebungen in der Standardisierung der Datenbestände (HL7) und Harmonisierung der Datenübertragung (IHE) können automatisierte Ansätze helfen, unser Gesundheitswesen zu entlasten.

 

Funktioniert das denn wirklich?

Auf technischer Ebene tut es das bereits, auf organisatorischer Ebene muss hier jedoch noch einiges passieren. Die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustands eines Patienten ist eine wichtige Gesundheitsthematik, an der bereits gearbeitet wird. In epSOS wurde die Vision eines Patient Summary definiert, das – ähnlich wie zuvor beschrieben – innerhalb aller Mitgliedsstaaten der EU funktionieren soll. Diese Definition eines Patient Summary wurde auch bereits als EU Richtlinie festgelegt.

In einem Patient Summary sind die wichtigsten Informationen eines Patienten enthalten. Diese sind sowohl medizinischer als auch organisatorischer Natur. Unter den medizinischen Daten finden sich unter anderem Blutgruppe, Allergien und Medikamentenunverträglichkeiten, Operationen, Diagnosen sowie die aktuelle Medikation. Organisatorische Daten im Patient Summary sind z.B. der Name, Geschlecht und Alter des Patienten, der Hausarzt sowie seine nächsten Angehörigen die im Notfall kontaktiert  und evtl. Auskunft über den Patienten geben können.

 

Forschungsprojekt Patient Summary Prototyp

Die ELGA GmbH hat im Zuge einer Arbeitsgruppe bereits einen Vorschlag zu den Inhalten eines Patient Summary für Österreich erstellt. Basierend auf diesem Vorschlag hat die CGM Clinical Österreich GmbH  in Kooperation mit der FH Hagenberg im Zuge einer Forschungsarbeit einen Patient Summary Prototypen erstellt, der auf Basis von HL7 CDA Dokumenten gemäß den ELGA Leitlinien funktioniert und entsprechende Dokumentenzusammenfassungen automatisiert erstellen kann.

Diese Thematik bildet auch die Basis eines in Folge vorgestellten allgemeinen Ansatzes, um derartige Zusammenfassungen automatisiert zu generieren. Weitere denkbare Ansätze für automatisch erzeugte Dokumentenzusammenfassungen wären z.B. Zusammenfassungen von radiologischen Bilddaten bei Tumorboards oder regelmäßige Vitaldaten und Medikationsübersichten für Patienten in Rehabilitationskliniken.

 

Wie kann man Dokumente On-Demand erzeugen?

Um innerhalb eines IHE-konformen Umfeldes arbeiten zu können, muss sichergestellt werden, dass ein automatisch generiertes Dokument „einfach“ ein weiteres Dokument ist, auf das Ärzte Zugriff haben. Es gibt aber Unterschiede zu einem herkömmlichen medizinischen Einzeldokument. Während reguläre Dokumentation einmalig geschrieben und dann abgelegt wird, muss ein automatisch generiertes Dokument möglichst aktuell sein und soll beim Abruf keine veralteten Daten beinhalten – es ist ein lebendiges Dokument. Dies erzwingt, dass es konstant aktualisiert werden muss, wenn sich der Gesundheitszustand des Patienten ändert bzw. neue oder geänderte Informationen verfügbar werden.

Eine vollständig manuelle Erstellung einer Dokumentenzusammenfassung wäre demnach schwierig, da dessen Erstellung Ärzte zusätzlich zu ihrem bestehenden Arbeitspensum belasten würde. Man kann auch den Patienten nicht zumuten, ihre Daten selbst zu bearbeiten, da sie dafür selbst das notwendige medizinische Wissen besitzen müssten.

Wenn die Dokumentenzusammenfassung also schwer manuell gewartet werden kann, muss ein (teil-) automatisierter Ansatz her. Genau an dieser Stelle kommt IHE ins Spiel. IHE definiert u.a. den On-demand Document Akteur (ODA) im Rahmen des Profils On-demand Documents (ODD), der es erlaubt, direkt bei Anfrage automatisiert Daten zusammenzufassen und als medizinisches Dokument an eine anfragende Person zurückzuliefern. Dieser Ansatz funktioniert vollautomatisch.

 

Hybrider Ansatz

Er ist um einiges schneller, als ein manueller Ansatz zur Erstellung von Dokumentenzusammenfassungen, aber eine Maschine kann nur teilweise die Qualität einer manuell erstellten Summary  erreichen, da  z.B. nur die Information aggregiert werden kann, die auch vorhanden ist.  Als Lösung, die beide Vorteile aufweist, ist ein hybrider Ansatz denkbar, der es dem Arzt erlaubt, ein Dokument nach automatischer Erstellung nachzubearbeiten bzw. gezielt zu erweitern.

Der ODA erlaubt es beispielsweise zum Zeitpunkt der Anfrage, automatisch verfügbare und relevante Daten (z.B. ELGA HL7 CDA Dokumente) eines Patienten zu durchforsten, die der anfragende Arzt auch sehen dürfte, und so ein aktuelles Patient Summary zu erzeugen. Die Privatsphäre des Patienten und sein Selbstbestimmungsrecht, wer seine medizinischen Daten einsehen darf, bleiben dabei natürlich gewahrt.

Da der ODA Bestandteil des IHE Cross Enterprise Document Sharing Profils (IHE-XDS.b) ist, hat er Zugriff auf die bereits bestehenden Dokumentenregister  (Registry)und -archive (Repository). Dieser Zugriff wird laut Spezifikation vom ODA benötigt um seine On-Demand Dokumente im Dokumentenregister zu verwalten und zusätzlich automatisch erstellte Dokumente im Dokumentenarchiv abzuspeichern. So können alle relevanten Dokumente zu einem Patienten (auf welche entsprechend den zum Zeitpunkt der Abfrage gültigen Berechtigungen Einsicht besteht) durchforstet und in einem neuen HL7-CDA Dokument zusammengefasst werden.

 

Was sind die Vor- und Nachteile dieses Ansatzes?

Eines der aktuell größten Probleme ist die Qualität bzw. der Strukturierungsgrad bestehender Daten. Viele Quelldaten in heutigen medizinischen Systemen haben noch keine ausreichende standardisierte Struktur (z.B. ELGA Templates) und enthaltene Daten sind entsprechend nur selten codiert um sie maschinenlesbar zu machen. Durch die fehlende Strukturierung bzw. Qualität in den Quelldaten können derzeit automatisch generierte Dokumente sehr  groß werden, da sie natürlich auch unstrukturierte Inhalte umfassen müssen, um keine möglicherweise relevante Information aus den Quelldaten  zu vergessen. Mit den bestehenden Daten und dem oben angesprochenen Prototypen kann allerdings bereits jetzt zu einem großen Teil sichergestellt werden, dass keine relevanten Daten im Dokument fehlen.

Der größte Vorteil des beschriebenen Ansatzes ist seine Geschwindigkeit. Der ganze Prozess ist dabei stark abhängig von den Ladezeiten im System und der Anzahl der Dokumente, der zeitliche Anteil der Datenaggregation  konnte aber innerhalb einer Testumgebung gering gehalten werden. Medizinisches Personal kann also mit automatischer Datendurchforstung und Zusammenfassung entlastet werden ohne dabei höhere Wartezeiten bei der Verarbeitung in Kauf nehmen zu müssen.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Es gibt noch einige Baustellen in der Thematik Dokumentenzusammenfassung. In Österreich gibt es noch keine gesetzliche Regelung zu dieser Form der automatisierten Datenaggregation, und auch keine CDA-Guidelines wie generierte Dokumentenzusammenfassungen aussehen sollen. Juristisch muss die voll automatische Datenaggregation im Gesundheitswesen noch abgeklärt werden (z.B. Haftung im Fehlerfall), bzw. ob solche Funktionalitäten auch ohne Behandlungsvorschläge unter das Medizinproduktegesetz fallen.

Auf technischer Ebene muss die Qualität und der Strukturierungsgrad der Daten noch gesteigert werden, nur so kann auch die Qualität der generierten Dokumente ohne menschlichen Eingriff verbessert werden. Weiters muss verstärkt mit den Anwendern der Systeme zusammengearbeitet werden, um weitere Anforderungen zu erheben und mit dem beschriebenen Ansatz die bestmögliche Unterstützung in ihrer Tätigkeit bieten zu können.

 

Oliver Krauss

Wien, Mai 2016

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Über den Autor

Oliver Krauss

FH OÖ Forschungs & Entwicklungs GmbH, Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Forschungsgruppe e-Health

Oliver Krauss hat sein Studium Softwareengineering am Campus Hagenberg der Fachhochschule Oberösterreich abgeschlossen und ist dort derzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe e-Health angestellt.

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