IHE-Mitgliederversammlung 2021: Mit Standards zurück zur Normalität

By 12/05/2021Aktuelles, News

Auch die diesjährige IHE-Austria Mitgliederversammlung stand naturgemäß wieder im Zeichen der Corona-Pandemie. Dabei wurde heuer besonders die Frage diskutiert, wie Datenstandards im Gesundheitswesen den Weg zurück in die Normalität bzw. aus der Pandemie heraus erleichtern können.

Egal ob Überblick über verfügbare Intensivbetten, die Anzahl der Corona-Testungen die täglich in Österreich stattfinden oder die Zahl der Genesenen nach einer COVID-19-Infektion, einheitliche Datenstandards sind ein wichtiger Faktor bei der Bewältigung der Corona-Krise und auf dem Weg zurück zur Normalität. Es handelt sich um Daten, die in Echtzeit jederzeit abrufbar zur Verfügung stehen müssen. Dieser Aspekt gewinnt vor allem mit dem Impffortschritt weltweit zunehmend an Bedeutung und ist mit Blick auf beispielsweise das Reisen längst kein rein österreichisches Thema mehr. Eine wichtige Grundlage dafür sind einheitliche Datenstandards im Gesundheitswesen.

Wie solche Standards etabliert werden können, welche Infrastruktur dafür benötigt wird und welche politischen Lehren wir aus der Corona-Pandemie für die Zukunft unseres Gesundheitssystems ziehen müssen, darüber diskutierten DI Jürgen Brandstätter (CodeWerk Software Services und Development GmbH & Sprecher IHE Austria), Mag. Gerald Loacker (Gesundheitssprecher der NEOS), DI Dr. Günter Rauchegger (Geschäftsführer ELGA GmbH & IHE Vorstandsmitglied), Ing. Peter Uher (A1 Telekom Austria AG), Mag. Herwig Loidl (LOIDL Consulting GmbH & IHE Vorstandsmitglied) und DI Dr. Alexander Kollmann (SALK – Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken Betriebsgesellschaft mbH & IHE Vorstandsmitglied).

 

Loacker: Mit Daten Gesundheitskrise(n) der Zukunft bekämpfen

Für Gerald Loacker ist klar, dass solche Krisen künftig öfters zu Tage treten werden. Auch deshalb müsse man sich schon jetzt die Frage stellen, was man aus der derzeitigen Situation mitnehmen kann, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Für Loacker spielen Daten und der gezielte Austausch dieser eine zentrale Rolle in der Pandemiebekämpfung. „Es geht nicht nur darum, welche Daten wir sammeln und zur Verfügung haben, sondern auch darum, wie wir sie miteinander verknüpfen und gezielt zur Pandemiebekämpfung einsetzen. Durch die medizinischen Daten, die selbstverständlich höchsten Datenschutzstandards entsprechen müssen, erhalten wir einen Überblick über Risikogruppen und können diese künftig besser schützen“, so Loacker.

Dass Österreich hinsichtlich der Datenlage sehr gut aufgestellt ist, zeigt, dass es laut Loacker zahlreiche Anfragen beispielsweise aus Deutschland gab. Grund dafür waren laut Loacker die Daten aus der eMedikation, die in Österreich zur Verfügung stehen. Diese müssen auch mehr in der Forschung zum Einsatz kommen. Ein nächster Schritt ist laut Loacker die Schaffung europäischer Datenmengen – ein wichtiges Thema, das auch der neue Gesundheitsminister Mückstein forcieren sollte, wünscht sich Loacker.

 

Rauchegger: ELGA bietet wichtige Grundlage bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens

In Österreich ist mit ELGA die Basisinfrastruktur für die nachhaltige Digitalisierung des Gesundheitswesens geschaffen worden. Von dort ausgehend müsse man sich laut Günter Rauchegger, Geschäftsführer der ELGA GmbH, nun ansehen, wie die Zukunft der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Österreich aussehen kann und welche Daten wozu verwendet werden können und dürfen. Für Rauchegger ist klar, dass internationale Datenstandards und Kommunikationsprotokolle dafür zentral sein werden: „Die ELGA ist das beste Beispiel dafür, wie gut Standardisierung und Profilierung auf Basis von IHE in der Praxis funktionieren können. Mit Blick auf die Nutzung von Gesundheitsdaten der ELGA, beispielswiese für die Forschung, muss man sich künftig jedoch auch den Rechtsrahmen sehr genau ansehen. Momentan ist dieser ausschließlich auf den Behandlungsprozess ausgelegt, was eine Nutzung der Gesundheitsdaten der Österreicherinnen und Österreicher für andere Zwecke nicht erlaubt.“ Sollte dies angedacht werden, ist laut Rauchegger die Frage des Datenschutzes und der Transparenz der Datennutzung zentral.

 

Brandstätter: Technik keine Ausrede mehr für geringen Digitalisierungsgrad

Wenn es um die nachhaltige Digitalisierung des österreichischen Gesundheitswesens geht, gibt es für Jürgen Brandstätter, Vorstandssprecher von IHE Austria, vor allem keine technische Ausrede mehr, warum diese nicht gelingt. Im Gegenteil haben die Hersteller und Standardisierungsorganisationen bewiesen, dass alles zur Verfügung steht, um dahingehend schnell Fortschritte zu machen. Die Gründe für die Nichtrealisierung hierzulande, sind laut Brandstätter woanders zu suchen: „Wichtig wäre, dass sich die Politik endlich dessen bewusst wird, dass es so etwas wie Datenstandards im Gesundheitswesen gibt und dass diese ein beträchtlicher Teil der Lösung sind. Ein erster wichtiger Schritt wäre, die Doppelgleisigkeiten, durch die viele Reibungsverluste hinsichtlich der Nutzung von Gesundheitsdaten in Österreich entstehen, zu beseitigen. Darüber hinaus brauchen wir mehr Konnektivität statt noch mehr lokale Lösungen. Auch das hat uns die Corona-Pandemie vor Augen geführt.“

Durch die Freiwilligkeit der Standardisierung, kommt der Politik laut Brandstätter eine noch wichtigere Rolle in diesem Prozess zu. Denn nur sie kann die Richtung und den Rahmen, in dem Standardisierung stattfinden soll, vorgeben. Ein weiteres beträchtliches Problem sieht Brandstätter im Fehlen der finanziellen Mittel für die Standardisierung. Ein Schulterschluss der Politik wäre hier dringend notwendig.

 

Uher: Mehr Wille und mehr Mut zeigen

Auch für Peter Uher, Head of Public Sector & Healthcare bei der A1 Telekom Austria AG, hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass an der Digitalisierung des heimischen Gesundheitswesens kein Weg vorbeiführt. Dies sei laut Uher schon deshalb der Fall, weil die Anforderungen an das Gesundheitswesen und dadurch auch die Kosten dafür, stetig steigen. Nur mit nachhaltiger Digitalisierung, auch im Normalbetrieb nicht nur in Krisensituationen, könne man dem berechtigten Anspruch nach höherer Lebensqualität durch bessere Gesundheit und ohne Kostenexplosion, gerecht werden.

Dank der Vorarbeiten der Hersteller und der Industrie war es laut Uher möglich, schnell die nötige (Daten)Infrastruktur im Kampf gegen die Corona-Pandemie umzusetzen: „Wir können von Glück reden, dass es hinsichtlich der Digitalisierung des Gesundheitswesens doch sehr viele Mitstreiter in Österreich gibt, die in den vergangenen Jahren beträchtliche Vorarbeiten geleistet und Konzepte entwickelt haben, wodurch wir nun relativ rasch auf diese Situation reagieren konnten. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass wir durch gewisse Abläufe, die eingehalten werden mussten, auch viel Zeit liegen gelassen haben. Da müssen wir besser werden und auch dabei hilft uns die Digitalisierung“, so Uher. Für die Zukunft wünscht sich Uher, mehr Wille und mehr Mut, sodass Konzepte und Lösungen die sinnvoll sind, gemeinsam schneller umgesetzt werden. Österreich hat eine Vorreiterposition innerhalb der EU, die durch kluge politische Rahmenbedingungen gefestigt werden muss. Fatal wäre laut Uher, wenn man wieder vergisst, wie hilfreich die Digitalisierung in der Pandemie war und man danach wieder davon abkommt.

 

Loidl: Interoperabilität kann nur gemeinsam gelingen

Für Herwig Loidl, Geschäftsführer der LOIDL Consulting GmbH und Vorstandsmitglied von IHE Austria, hat die Umsetzung des elektronischen Impfpasses eindrucksvoll gezeigt, was möglich ist, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen: „Man muss sich nur vor Augen führen, wie viele Jahre es nun gedauert hat, bis der elektronische Impfpass umgesetzt wurde. Und wäre die Corona-Pandemie nicht gekommen, wer weiß wie lange es noch gedauert hätte. Das gilt übrigens auch für die eMedikation, die ohne Standardisierung ebenso wenig möglich gewesen wäre“, so Loidl, und weiter: „Diese Vorgehensweise muss nun als Rolemodel herangezogen werden, damit weitere wichtige Projekte, für die es schon lange fertige Konzepte gibt, endlich in der Praxis verfügbar werden. Denn nicht nur für mich ist es unverständlich, warum das hierzulande so lange dauert.“

Wichtig sei laut Loidl das Big Picture an die Politik und die Öffentlichkeit heranzutragen: „Wir reden hier zweifelsohne von vielen komplexen und technischen Abläufen, die wir vereinfacht bei Entscheidungsträger*Innen und in der Öffentlichkeit kommunikativ verankern müssen. Nur so wird es uns gelingen, einen übergreifenden Konsens in Österreich hinsichtlich der Standardisierung und der Digitalisierung zu erhalten und bei der Interoperabilität alle Stakeholder ins Boot zu holen. Denn das Thema betrifft jede und jeden von uns: Wir alle möchten eine leistbare Gesundheitsversorgung am Puls der Zeit.“

 

Kollmann: Notwendigkeit der Vernetzung nicht von der Hand zu weisen

Die Sichtweise der Bundesländer brachte Alexander Kollmann von der Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken Betriebsgesellschaft (SALK) ein. Gerade in Salzburg, das sehr stark vom grenzübergreifenden Pendlerverkehr mit Deutschland betroffen ist, sind grenzübergreifende digitale Lösungen im Kampf gegen die Pandemie essenziell: „Viele Salzburgerinnen und Salzburger pendeln tagtäglich nach Bayern und retour. Gleichzeitig kommen viele Menschen aus Bayern zu uns zum Arbeiten. Gerade in Pandemiezeiten, in denen oftmals auch ganz unterschiedliche Regelungen in den Staaten gelten, stellt uns das vor große logistische Herausforderungen. Standards können hier wesentlich dazu beitragen grenzübergreifende Lösungen zu etablieren, die vieles erleichtern – für die Behörden, die Gesundheitseinrichtungen, aber vor allem auch für die zahlreichen Pendlerinnen und Pendler“, so Kollmann.

Auch wenn der Weg zu europäischen Lösungen oftmals länger dauern mag plädiert Kollmann dennoch für die Notwendigkeit der Vernetzung innerhalb Europas und für die Etablierung grenzübergreifender statt lokaler Lösungen. Dies wiederum lässt sich 1:1 auch auf die innerösterreichische Situation umlegen. Auch innerhalb Österreichs ist es dringend notwendig, den Datenaustausch zwischen Bund, Ländern und allen Akteuren im Gesundheitswesen zu forcieren. Dies gelingt nur mit mehr Interoperabilität im Gesundheitswesen, die auf (internationalen) Datenstandards basieren.

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